Smells like Team Spirit: Annika und die Brailleschrift (Teil 1)

25.08.2021

Beim ITDZ Berlin wird nicht nur über Diversität geredet oder sich mit Zertifikaten geschmückt. Nein, bei uns wird Vielfalt tagtäglich gelebt. Wie ist es, mit nur drei Prozent Sehkraft in unserem Service Center zu arbeiten? Wir haben dazu unsere Kollegin Annika gefragt, wie sich ihr Alltag gestaltet und ob es besondere Herausforderungen für sie gibt. Dies ist der erste Teil der neuen Reihe zu “Smells Like Team Spirit – Divers Digitalisieren”.

Braizeille

Alles auf Anfang

Mein Name ist Annika, ich bin 38 Jahre alt, bin verheiratet und habe eine achtjährige Tochter. Seit zwei Jahren arbeite ich im ITDZ Berlin, im Service Center im Team der Berliner Finanzämter. Gern beantworte ich die Interviewfragen und bedanke mich für das Interesse an meiner Arbeit und meiner Wahrnehmung.

Meine Sehbehinderung trat bei mir ein, als ich 30 Jahre alt war.
Meine Sehkraft hat sich wegen einem Meningiom verschlechtert. Das ist ein gutartiger Tumor, der auf die Sehnerven drückt. Meine Sehkraft beträgt etwa drei Prozent. Nach den Behandlungen, habe ich im Berufsförderungswerk Berlin eine einjährige Rehabilitations-Maßnahme absolviert. Dort wurde mir der Umgang mit dem PC mit Hilfsmitteln, die Brailleschrift, nützliche Tipps im Umgang mit Haushaltsgegenständen etc. beigebracht sowie auch ein Mobilitätstraining habe ich gemacht. Es war ein sehr lehrreiches Jahr für mich, da ich mein Leben wieder neu sortieren musste.

Was hat dich dazu bewegt im ITDZ Berlin zu arbeiten?

Als ich im Jahr 2015 eine Rehabilitations-Maßnahme im Berufsförderungswerk (BFW) Berlin besucht habe, hat ein blinder Kollege ein Praktikum im ITDZ Berlin absolviert. Er war dort auch im Auskunfts- und Vermittlungsservice der Finanzämter tätig. Also genau wie ich heute. Er hat dann nach Beendigung seines Praktikums geschwärmt, wie gut es ihm dort gefallen hat. Die Arbeit hat ihm Spaß gemacht, die Kollegen und Kolleginnen waren alle super, die Software sei barrierefrei und er fühlte sich dort einfach sehr wohl.
Nach meinem Abschluss des Blindentechnischen Grundkurses konnte ich nach einer gewissen Einarbeitungszeit meine Tätigkeit bei meinem damaligen Arbeitgeber wieder aufnehmen. Jedoch wollte ich nach weiteren drei Jahren, die ich dann dort verbracht habe, eine neue Tätigkeit aufnehmen. Als ich dann die Stellenanzeige als Agentin für den Auskunfts-und Vermittlungsdienstes des ITDZ Berlin bei Interamt las, bewarb ich mich. Denn ich wusste ja, dass ich dort bestimmt gut aufgehoben war.

Wie kann man sich Deine Arbeit vorstellen?

Ich bin als Agentin im Service Center im Team der Finanzämter angestellt. Da ich den ganzen Arbeitstag am PC arbeite, erkläre ich Ihnen kurz wie ich arbeite. An meinem PC ist eine Braillezeile angebracht, ich habe zusätzlich im PC eine Sprachausgabe sowie eine Vergrößerungs-Software. Um Briefe in ausgedruckter Form zu lesen habe ich ein Kameralesegerät sowie einen Scanner.

Mit der Vergrößerung kann ich den Inhalt des PCs, also zum Beispiel das ETB vergrößern, um die Nummern an die ich verbinden soll, lesen zu können. Die Sprachausgabe unterstützt mich auch dabei und liest zusätzlich die Zahlen vor, bzw. liest mir auch ganze Word- oder Excel-Dokumente vor. Wenn ich zum Beispiel ein Brief erhalte, kann ich mir das Schriftstück unter mein Lesegerät legen. Dann kann ich mir auch hier alles so vergrößern, wie ich es bequem lesen kann. Ähnlich funktioniert der Scanner. Ich kann mir Briefe einscannen und dann wird das Dokument von der Sparachausgabe im PC erfasst und mir dann vorgelesen.
Das beste Hilfsmittel ist jedoch meine Braillezeile. Das ist ein Gerät, das auch an den PC angeschlossen wird und dann z.B. ein Word-Dokument in der Brailleschrift aufzeichnet. Das heißt, ich kann mit meinen Fingern über die Zeile gehen und dann die Brailleschrift lesen.

Was machst Du als Frau mit Sehbehinderung anders als Deine Kolleg/Innen?

Meine Kolleg/Innen können mit ihren Augen alles sofort erkennen. Ich brauche dafür natürlich meine o.g. Hilfsmittel. Das bedeutet, dass ich für neue Informationen, die beispielsweise in BASYS (BASYS steht für Berliner Auskunfts-SYStem und ist ein Ticketsystem zur Bearbeitung von telefonischen Anliegen, Anm. d. Redaktion) eingestellt werden, etwas mehr Zeit zum Lesen benötige.

Wirst Du mit Deinen Anregungen oder auch Kritik von Deinen Kolleg/Innen oder Führungskräften gehört?

Ja, ich werde ernst genommen und meine Kritik oder auch Anregungen werden angenommen. Ich fühle mich in meinem Team sehr wohl und habe dort auch noch nie Diskriminierung erfahren. Jedoch weiß meine Teamleiterin, dass ich gern mehr Themengebiete bearbeiten möchte. Leider kann ich gerade wegen der Technik nur ein bestimmtes Sachgebiet der Finanzämter beauskunften. Doch die Admins tun ihr Bestes, damit ich möglichst bald meine Kolleg/Innen in ihrer Arbeit noch mehr unterstützen kann. Denn auch das ist mir wichtig, dass ich ein vollwertiges Mitglied meines Teams bin, Behinderung hin oder her. Denn ich habe auch meine Ziele und Pläne, die ich gern umsetzen möchte.

Vielen Dank für die interessanten Einblicke in Deinen Arbeitsalltag!
Wir freuen uns schon auf den zweiten Teil Deines Berichts dazu, wie Du als Mensch mit Sehbehinderung das Internet wahrnimmst.